400
Xxi. §. 5. Kreuzzug wider die Wenden.
senherzögen eingesetzten Markgrafen im Wendenland und die Erz-
bischöfe von Magdeburg hatten nun fast hundert Jahre hindurch zu-
gesehen, wie alle christlichen Stiftungen im Wenden lande zwischen
Elbe und Oder immer auf's Neue wieder von den empörten Heiden
vernichtet wurden, also daß auf dem rechten Elbufer nur gar wenig
Christen zu finden waren. Als nun Bernhard von Clairvaux
im Namen des Papstes Eugen die Deutschen zur Kreuzfahrt nach
Jerusalem aufforderte, antworteten mehrere norddeutsche Fürsten ganz
verständig: sie hätten Heiden genug in der Nähe zu bekämpfen und
brauchten deshalb nicht erst nach Asten zu ziehen. Dem frommen
Bernhard war solche Antwort höchst befremdend. Er hatte gar
nicht geglaubt, daß an den Grenzen, ja eigentlich im Schooße des
deutschen Reichs die Heiden seit Jahrhunderten von den christlichen
Fürsten in Ruhe gelassen wurden. Er strafte die Fürsten hart ob
solcher Säumigkeit und betrieb jetzt selbst die Unternehmung eines
Kreuzzuges gegen die heidnischen Wenden mit größtem Eifer. Die-
selben Gnaden und Segnungen wie den Kreuzfahrern gegen Jeru-
salem sollten denen zu Theil werden, die das wendische Kreuz näh-
men (1147). Es war ihrer eine ziemlich bedeutende Zahl, an der
Spitze der Herzog von Sachsen Heinrich der Löwe und dessen
Schwiegervater Herzog Konrad von Zähringen (dessen Besitzungen
im Elsaß, Baden, Schweiz und Burgund zu suchen sind). An 100,000
Streiter zogen mit ihnen. Sie theilten sich in zwei Haufen. Der
eine wandte sich gegen Niclot, den Obotritenfürst, dessen Reich an
dem Ufer der Ostsee entlang etwa von Lübeck bis nach Stralsund
reichte. Der andere zog von Magdeburg aus gegen die untere
Oder. Große Kriegsthaten sind freilich nicht geschehen; aber der
Hauptzweck des Zuges wurde erreicht. Der Schrecken über solch ein
gewaltiges, von kirchlichem Eifer erfülltes Heer war unter den Wen-
den so groß und wirkte so nachhaltig, daß überall das Christenthum
ohne Widerstreben zugelassen wurde. Ueberall wurden Kirchen und
Klöster, Domstister und Schulen neu gegründet oder wiederhergestellt;
Priester und christliche Ansiedler aus Deutschland kamen in's Land;
der Herzog von Sachsen und seine Grafen konnten ungestört und
mit fester Hand die christliche Herrschaft führen, und wenn auch lang-
sam, so ging doch Schritt vor Schritt das bisher so widerspenstige,
rohe, abgöttische Volk einer völligen Umwandlung entgegen. Der
letzte heidnische Tempel, der umgestürzt wurde, war der Tempel des
Svan tev i t auf der Nordspitze Deutschlands, zu Arcona auf Rügen;
er wurde 1169 von den Dänen zerstört.
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Extrahierte Personennamen: Bernhard_von_Clairvaux Eugen Bernhard Heinrich_der_Löwe Heinrich Konrad_von_Zähringen Konrad
498 Xxiii. §. 7. Bekenntniß und Bündniß der Evangelischen.
davon waren die Evangelischen in Deutschland überzeugt, hatten auch
sie zu erwarten. So wie der Kaiser sich den deutschen Grenzen
näherte, machte Jedermann sich auf schweren Krieg und Verfolgung
gefaßt.
§. 7. Bekenntniß und Bündniß der Evangelischen.
Was thaten nun Luther und seine Freunde, was thaten die Für-
sten und Städte, die ihm anhingen, als der mächtige Kaiser mit der
entschiedenen Absicht, sie zu verderben, über die Alpen daherzog? For-
derten sie mit feurigen Worten zum Widerstand auf, riefen sie ihre
Freunde und Genossen zum Kampf für die heiligsten Güter, für die
Freiheit der Predigt, für die Reinheit der Lehre? Nichts weniger.
Sie erklärten: um des Glaubens willen dürfe man nicht zu den Waf-
fen greisen, man müsse die Noth und den Schaden tragen. Der
Kurfürst von Sachsen war entschlossen, dem Kaiser sein Land zu öffnen,
und ihn darin nach Willkür verfahren zu lassen. Das war auch die
Meinung des Markgrafen von Brandenburg, der Stadt Nürnberg
und der anderen evangelischen Fürsten und Städte. Man hatte zwar
schon längst daran gearbeitet, sich näher zu verbinden, sich zu gemein-
samem Widerstand zu rüsten, besonders der feurige Landgraf Philipp
von Hessen hatte sehr dazu gedrängt. Aber jetzt, da der Kaiser er-
scheint, der rechtmäßige Oberherr, läßt man alle kriegerischen Gedan-
ken fahren. Man tritt zusammen, ja, man beräth sich, aber nicht
über Vertheidigungsanstalten, über Stellung von Mannschaft, Befe-
stigung von Schlössern, sondern über die Ausarbeitung einer kleinen
Schrift, über die Feststellung einer Reihe von Artikeln, über die Un-
terzeichnung eines Bekenntnisses, welches Melanchthon unter Luther's
Zustimmung ausgeschrieben, und welches nun die Fürsten von Sachsen
Hessen, Lüneburg, Anhalt und Brandenburg nebst etlichen Städten
sich aneigneten und Unterschrieben. Das ist die berühmte augs-
burgische Confession, das noch heute zu Recht bestehende Be-
kenntniß der evangelischen Christenheit, nebst Luther's Katechismus der
wertheste Eckstein der lutherischen Kirche. Sie ward am 25. Juni
1530 auf dem Reichstage zu Augsburg vor Kaiser und Reich feier-
lich verlesen, und von Allen, welche der Wahrheit die Ehre gaben,
mit größter Theilnahme und Beifall ausgenommen. Die Katholischen
konnten sie nicht widerlegen, obwohl sie es versuchten. Sie gaben es
bald auf, wider das Schwert des Geistes, wider das Wort Gottes
mit gleichen Waffen zu kämpfen; sie griffen schnell zu einer andern
Widerlegung — durch Gewalt. Zwar nicht die Mehrzahl der
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Extrahierte Personennamen: Jedermann Philipp
von_Hessen Philipp Melanchthon
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98
Viii. §. 9. Die Trümmer Babylon's.
§. 9. Die Trümmer Babylon's.
Die Stadt Babylon ward bei dieser Eroberung durch die Meder
nicht selber schon zerstört. Erst später bei einem Aufstandsversuch
ließ der Perserkönig Darius Hystaspes die Mauern abtragen,
die Gräben zuwerfen und die Stadt entvölkern. Doch seine Nachfolger
wendeten der Stadt mehrentheils wieder ihre Gunst zu und machten
sie zu ihrer Winterresidenz. Dann sollte Babylon noch einmal eine
kurze Glanzzeit erleben unter dem großen Eroberer Alexander, der
sie zu seiner Residenz und zum Mittelpunkt seines ungeheuren Reiches
machen wollte. Schon begann er Hunderttausende von Menschen zur
Wiederausrichtung der gesunkenen Prachtbauten, Tempel und Paläste
zu verwenden. Aber es war ja nur noch eine Gnadenfrist für Ba-
bylon bisher gewährt, und Babylon hatte sie nicht benutzt. Wie
hätte ein armer Sterblicher den Fluch Gottes, der auf Babel lag,
zerbrechen können? Vielmehr der Fluch zerbrach ihn selber, und er
ward mitten unter seinen stolzen Plänen eilends hinweggerafft. Jetzt
sank auch die übermüthige Stadt unaufhaltsam in Trümmer. Um
die später in der Nähe erbauten griechischen und saracenischen Städte
aufzurichten, wurden die Schlösser und Hallen Babylon's abgetragen
und ganze Schiffsladungen von Mauersteinen und Werkstücken weg-
geführt, und dies Zerstörungswerk dauert noch bis heute fort. Und
doch sind noch unermeßliche Ruinen stehen geblieben. In wüster
Einsamkeit ziehen sich diese Schutthügel meilenweit am Ufer des
Eufrat dahin. Reisende können nicht schauerlich genug die grausige
Einöde beschreiben, da Jes. 13, 19 ff. Jer. 51, 37. 43 nur zu genau
in Erfüllung gegangen ist. „Kein Gräschen," so lautet eine Be-
schreibung, „kein Buschwerk sieht man da. Man erblickt in der ewig
feierlichen Stille den weithin ziehenden breiten Spiegel des Eufrat,
der voll stiller Majestät jene Einsamkeit durchwandert, wie ein könig-
licher Pilger durch die schweigenden Ruinen seines gesunkenen Reichs.
Die Paläste und Tempel sind in Schutt und Graus zerfallen; statt
der hängenden Lustgärten und blühenden Paradiese bedecken graue
Rohrwälder die sumpfigen Uferstellen, und da, wo einst die Gefan-
genen Jsrael's ihre Klagelieder singen mußten und ihre Harfen
schlugen, da sind nur die unvergänglichen Weiden hier und da stehen
geblieben in der Einöde, aber weder eine Trauerstimme noch ein
Freudenlied ertönt.".
Auch unter den Schutthügeln Babylon's hat man in neuerer Zeit
angefangen zu graben, und ebenso wie aus den Trümmern des alten
Ninive, die längst verschütteten Paläste und Denkmäler wieder an das
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Extrahierte Personennamen: Darius_Hystaspes Darius Alexander Alexander
Ix. I. 1. Prophetenstimmen über die Wiederherstellung. 99
Licht zu ziehen. Es ist erstaunlich, welche ungeheure Thürme und
Burgen man dort noch findet. Bis auf die Hälfte und darüber find
sie zusammengeftürzt, und doch ragen sie noch pyramidengleich über die
weite Ebene empor und bilden die Zielpunkte und Wegweiser der um-
herschweifenden Beduinenstämme. Unverwüstlich ist Das Material von
gebrannten, zum Theil verglasten Backsteinen, und der Cement, durch
den die Steine verbunden sind, ist fast härter als der Stein selbst.
Ueberall find Inschriften in der Form der Keilschrift auf diese unver-
wüstlichen Ziegel eingebrannt. Schon ist man auf der Spur, den In-
halt dieser Inschriften zu erforschen. Ja, man hat aus den geheimen
Archiven der alten Königsburgen Schriftrollen hervorgezogeu und aus
ihnen schon eine Einzahl der wichtigsten Urkunden und Documente ent-
ziffern zu können geglaubt. Diese Schriften sammt den Bildwerken
und Gerüchen versprechen noch eine reiche Ausbeute für die uralte Ge-
schichte. Jahrhunderte können übrigens noch vergehen, ehe die For-
schungen zu Ende gebracht sind, denn der Umfang der Trümmermaffe
ist unglaublich. Nicht bloß die Stadt Babylon selbst liegt dort begra-
den, von deren vier Seiten jede etwa vier Stunden lang war, sondern
eine ganze Anzahl anderer uralter Städte, die zum Theil an Größe
dem stolzen Babel nicht nachgestanden zu haben scheinen. Dem un-
gläubigen Geschlecht unserer Tage, welches gar zu gern sich den For-
derungen des Ehristenthums entziehen und deshalb auch die Glaub-
würdigkeit der biblischen Geschichte ableugnen möchte, hat der Herr die
staunenswerthen Entdeckungen an den Ufern des Nil, des Tigris und
Eufrat aufbehalten, durch welche in glänzendster Weise alle Erzählun-
gen der Bibel von den bezeichneten Gegenden bestätigt werden; auf
daß Jedermann die Hand aus den Mund lege und erkenne, daß Gottes
Wort wahrhaftig ist.
Ix. Zsmel's Wiederherstellung durch die Perser. Wieder-
aufrichtung eines Mittelpunktes für das zerstreute Volk
Gottes.
Motto: Könige müssen ausstehen und Fürsten müssen an-
beten um des Herrn willen, der Israel erwählt hat.
§. 1. Prophetenstimmen über die Wiederherstellung.
Israel sollte zwar als ein selbständiges Reich vernichtet und das
Gottesvolk unter die Heidenvölker zerstreuet bleiben, aber Jerusalem
sollte darum nicht für immer wüste und unbewohnt liegen. Das
Volk Gottes, ob auch weit in die Länder zerstreuet, sollte doch einen
religiösen Mittelpunkt haben; die Stätte des Opfers und der Anbe-
tung, der Tempel auf Moria sollte wieder aufgebauet, Jerusalem
wieder als eine jüdische Stadt gegründet und befestigt werden, daß
von Nord und Süd, von Oft und West künftig Alle, die nach Gott
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Extrahierte Ortsnamen: Gottes Gottes Israel Gottes Moria Jerusalem Nord
Xv. §. 8. Nachwirkungen des Strafgerichts über Jerusalem. 249
vollends erkannt haben, daß in dem Reiche Christi keinerlei Opfer-
noch Tempeldienst, noch Speisegesetz, noch sonstiges Außenwerk des
alten Bundes bestehen bleiben solle, daß ein Ernst gemacht werden
solle mit dem Gottesdienst im Geist und in der Wahrheit. Hatten
aber die Christen das klare Verständniß, daß und warum Gott
selber die Hauptstadt seines alten Reichs auf Erden sammt seinem
eignen Palast und Thronsitz zerstört habe, so hatten die Heiden doch
wenigstens eine Ahnung davon, daß hier ein ungeheurer Frevel
durch eine unmittelbar rächende That des höchsten Gottes gestraft sei.
Titus selber bezeugte es laut, er sei nur das Werkzeug göttlicher
Rache gewesen. Wie hätte nicht ein dunkles Gefühl von einem
schweren Geheimniß göttlichen Waltens auch durch seine Legionen,
durch sämmtliche Provinzen des Römerreichs gehen sollen, soweit die
Kunde von dem schrecklichen Ereigniß drang. Sollte da nicht überall
ein heilsames Erschrecken gefolgt sein, ein Stillstehen in dem gleich-
gültigen und lasterhaften Treiben, ein Besinnen über den Weg zum
Himmelreich! Der Herr wenigstens ließ es an sich nicht fehlen. Er
hals treulich nach durch furchtbare Erdbeben, Brand und Pest, wo-
mit während der Regierung des Titus (79 — 81) besonders Italien
heimgesucht wurde, und zeigte durch den plötzlichen Untergang der
Städte Herculanum und Pompeji, daß Er mitten im Heidenlande
dieselbe Macht habe, zu strafen und zu verderben, wie innerhalb der
Grenzen des jüdischen Landes. Wirklich läßt sich sehr deutlich merken,
daß mit Bespasianus und Titus eine Wendung zum Bessern
in der römischen Kaisergeschichte eingetreten ist. Es wird doch ein
Versuch gemacht, den ärgsten Ausbrüchen grober Lasterhaftigkeit zu
wehren, ja wieder zurückzukehren zu der altrömischen Einfachheit und
Ehrenhaftigkeit; Recht und Ordnung werden wieder aufgerichtet, Ruhe
und Vertrauen kehren zurück und das gejagte Volk fängt an wieder
aufzuathmen. Freilich tritt solche Wendung nie ohne Schwankungen
und abermaligen Rückfall ein, denn der böse Feind will seinen Sieg
nicht ohne Widerstand fahren lassen. So ward auch in Rom die mit
Vespasianus beginnende Reihe besserer Kaiser wieder unterbrochen
durch den greulichen Wütherich Domitian (81 — 96), der unmittelbar
auf den Titus folgte und dessen eigner Bruder war. Aber nach dieser
Unterbrechung folgten noch fast hundert Jahre hindurch edlere Män-
ner auf dem Thron: Nerva (96 — 98), Trajanus (98 — 117),
Hadrianus (117 — 138), Antoninus Pius (138 — 161),
Marcus Aureliuö (161 — 180).
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Extrahierte Personennamen: Ernst Titus Titus Domitian Nerva_( Marcus_Aureliuö
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Christi Gottes Titus_( Italien Pompeji Rom
Xxii. §. 8. Die neue Staatskunst der luxemburgischen Kaiser. 4o1
Rathhäuser, die kühnen Thore und Thürme, die öffentlichen Gebäude
mit ihrem überreichen Schnitzwerk und ihren vielbewunderten Kunst-
schätzen mannigfacher Art. Kurz, in den Städten entfaltete sich theils
unter dem Schutze einsichtiger Fürsten, größtentheils aber in völligster
Freiheit jener ganze Wunderbau germanischen Bürgerthums, der
unser deutsches Volk weit über alle anderen Völker erhoben hat.
Es ist leicht begreiflich, daß bei solchem Neichthum innern Lebens
das deutsche Volk sich nicht sehr um die Abwesenheit oder Schwäche
der Kaisermacht bekümmerte. Wenn auch die Fürsten oder einzelne
Corporationen, welche durch übermächtige Gegner Noth litten, die Her-
stellung eines kräftigen kaiserlichen Regimentes wünschten und auch
einmal den Versuch machten, an des „faulen" Wenzel Stelle einen
andern, thätigern Fürsten, den Ruprecht von der Pfalz zum Kai-
ser zu erheben (1400—1410), so blieb doch das Volk im Ganzen von
diesem Wechsel unberührt. Früher würde doch wenigstens ein Kampf
zwischen den beiden Gegenkaisern und ihren Anhängern entstanden sein;
jetzt fiel es fast Niemandem ein, sich entweder für den Wenzel oder
den Ruprecht zu entscheiden und Partei zu nehmen. Man kümmerte
sich um den Einen so wenig, wie um den Andern. Selbst als Wen-
zel mehrere Male in die Gefangenschaft seines eignen Bruders Sieg-
mund gerieth, griffen die deutschen Reichsfürsten nicht ein, wenig-
stens nicht in kräftiger und entscheidender Weise. Was die Luxemburger
im Innern ihrer Erbländer thaten, das ging ja, so war die Stim-
mung, keinen der deutschen Fürsten etwas an. Und doch war ihre
Wirksamkeit in jenen östlichen Gebieten Deutschlands von der größten
Wichtigkeit und Bedeutung. Sie haben diese slavischen Länder erst
eigentlich für Deutschland erobert, zu vorwiegend deutschen Län-
dern gemacht. So wenig Karl Iv. für Deutschland gethan hat, so
thätig und einsichtig sorgte er für sein liebes Böhmen. Da wußte er
vor allen Dingen die öffentliche Sicherheit und die Gerechtigkeitspstege
wieder herzustellen, da war er unablässig beschäftigt, Wege zu bahnen,
Brücken und Straßen anzulegen, Flüsse schiffbar zu machen, den Land-
bau, Handel und Gewerbe zu beleben. Deutsche Ansiedler zog er in's
Land, begünstigte ihre Sprache, ihre Gesetze, ihre Sitten, ihre betrieb-
samen Unternehmungen. Gelehrte und Künstler fanden an seinem
Hofe ehrenvolle Aufnahme. Die böhmischen Städte strahlten von
Prachtbauten, Kirchen und Palästen, die er aufführen ließ, in Prag er-
richtete er (1348) eine Universität, neben Heidelberg die erste in Deutsch-
land. Und wie für Böhmen, so sorgte er mit gleichem Eifer für
Schlesien, für die Lausitz, für Brandenburg, denn alle diese weiten
Landschaften hatte er theils durch Heirath, theils durch Erbvertrag oder
Ankauf zu seinem Böhmen und Mähren hinzugezogen, so daß sich sein
Erbreich im Osten Deutschlands fast von der Donau bis zur Ostsee
erstreckte. Viel von dem, was dieser thätige und geistreiche Fürst, der
leider nach seiner welschen Art nur zu sehr den „materiellen Interessen"
dienstbar war, für das Wohl seiner Länder gegründet und aufgebaut,
29*
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Wenzel Karl_Iv Karl
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland Deutschland Prag Heidelberg Deutsch- Brandenburg Deutschlands Donau Ostsee
Xxv. §. 7. Dir französische Revolution. 893
heiten und Verbrechen, das mußte der König gutheißen. Die Pa-
riser Citadelle, die Bastille, ward unter greulichen Abschlachtungen vom
Pöbel zerstört, und der König — billigte das. Die königlichen Trup-
pen in Paris wurden vom Pöbel meuterisch überfallen, es wäre ihnen
ein Leichtes gewesen, diese elenden Haufen zurückzuwerfen; aber sie
durften sich nicht wehren, sie mußten sich aus der Stadt, aus der
Umgegend zurückziehen, wehrlos übergab der König sich und seine
Treuen den thierischen Leidenschaften der gereizten Pöbelrotten. Er
„wollte nicht, daß um seinetwillen ein Tropfen Bürgerblut vergossen
würde," und sah nicht ein, daß er durch seine pflichtvergessene Weichher-
zigkeit ganz Frankreich in einen ungeheuren Pfuhl unschuldig vergossenen
Blutes verwandelte, in dem auch er selbst mit all den Seinigen ersticken
sollte. O wie haben sie gegen ihn um Rache geschrieen, alle die
Seelen Derer, die um des Unverstandes und der feigen Gutherzigkeit
des Königs willen unter den Mordfäusten der Pikenmänner und Kan-
nibalen in Paris und ganz Frankreich einen martervollen Tod erdul-
deten. Alle die getreuen Freunde des Königs, welche ohne Weiteres
auf den Straßen aufgegriffen und an die Laternenpfähle aufgeknüpft
wurden, alle die Köpfe der bis in den Tod getreuen Leibgardisten, die
auf Piken vor dem Wagen des Königs her mit rasendem Tanz und
Gebrüll von Versailles nach Paris geschleppt wurden, alle die in
ihren Schlössern und Landhäusern niedergemachten Adligen, die er-
schlagenen, ersäuften, niedergestoßenen, erschossenen oder erwürgten
ruhigen Bürger der treuen Städte, sie klagten laut den schwachen
König an, daß er seines Amtes nicht wahrgenommen, daß er das
Schwert, welches Gott ihm anvertraut, zu verbrecherischen Ge-
waltthaten dem Pöbel in die Hände geliefert habe. Und schon wurde
das Schwert wider ihn selber gekehrt. Schon, als die tobende Rotte
von Taugenichtsen und Megären mit dem Nationalgardehelden, dem
schwachköpftgen und haltlosen La faye tte an der Spitze, den Monar-
chen als einen Gefangenen aus seiner Residenz Versailles nach Paris
holte, hatten sie das Leben der Königin und sein eignes Leben be-
droht. Aus der Gefangenschaft in seinem Schlosse in Paris war
dann kein Entweichen mehr. Da er es im Juni 1791 versuchte und
schon fast die Grenze erreicht hatte, ward er erkannt und als ein ent-
sprungener Sträfling zurückgebracht, als ein zum Tode verurtheilter
Miffethäter in den Gemächern seines Schlosses bewacht. Ein Jahr
später ertönte das toddrohende Wuthgebrüll des trunkenen Mörder-
haufens schon in den Gängen und Sälen, in dem Cabinet des Kö-
nigs selbst, schon streckten sich nach der geheiligten Person des Königs
v. Rohdcr», Leitfaden. 38
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
Extrahierte Ortsnamen: Paris Frankreich Paris Frankreich Versailles Paris Versailles Paris Paris
636
Xxv. §. 11. Entwicklung neuer Gegensätze.
des im Kriege Zerstörten fingen sie an. Es mußte ja geeilt werden,
all den erlittenen Schaden wieder zu ersetzen. Da regte sich's in
allen den so lange versperrten Seehäfen mit tausend Händen, da be-
deckten die Waarenzüge wieder die Straßen, da wurden aller Orten
neue Verkehrswege eröffnet. Mit Steinstraßen und Chausseen, mit
Güterwagen und Schnellposten fing man an, bald schritt man (in
Deutschland seit 1836) zu Eisenbahnen und Dampfschiffen fort, und
wie im Umsehen bedeckten sich alle Meere, bedeckten sich alle Länder,
auch unser Vaterland mit jenen dampfenden Kolossen, und die Dampf-
kraft ward der Hebel aller neuen Unternehmungen. Da entstanden
die riesigen Bauten der Canäle, der Tunnels, der Viaducte, der Bahn-
höfe, der Schmelzereien und Brennereien und die Tausende von Fa-
brikgebäuden, die selbst die Militärcasernen noch an Größe, aber auch
an Einförmigkeit übertreffen. Und welch ein Lurus neben der zu-
nehmenden Verarmung in den großen Städten! Welche Prachtgebäude,
welche Malereien und Bildhauerwerke! Alle Künste und Kunstfertig-
keiten fingen an sich zu regen. Welch nie erlebter Glanz der Thea-
ter, der Concertsäle, der Bälle, der Ballette, der Vergnügungslocale
aller Art; welche Sehenswürdigkeiten wurden aller Orten zur Schau
gestellt! Bald sollten die großen Ausstellungen in den Hauptstädten
folgen, die in der Londoner und Pariser Weltausstellung gipfelten.
Dazu die jährlich sich mehrenden Versammlungen der Gelehrten, der
Sänger und Künstler und Schriftsteller, der Beamten, der Landwirthe,
der Industriellen, die immer neu sich drängenden Erfindungen — Gas-
erleuchtung, Lichtbilder, Schnellpresse, Schnellschreibekunst (Stenogra-
phie) und die wunderbare Entdeckung der elektrischen Telegraphen, mit
Allem, was sonst noch Neues und Wunderbares erfunden und in be-
schränkteren Kreisen zur Anwendung gebracht ist. Wozu die Welt
sonst Jahrhunderte gebraucht hätte, das wird jetzt in Jahrzehenden ge-
leistet. Die Zeit eilt, aber Niemand will merken, daß sie zum Ende
eilt. Das wohl verwaltete, mit väterlicher Sorgfalt regierte Preu-
ßen war in allen Unternehmungen, die zur Hebung des deutschen Gc-
sammtwohlstandes dienen konnten, voran. So wie in Preußen das
Schulwesen sammt Seminarien und Universitäten zur höchsten Ent-
wicklung gelangten, und Alles, was zur Erleichterung des Verkehrs
nöthig war, am ehesten durchgeführt wurde, so ging auch von Preu-
ßen die Idee des großen Zollvereins aus, welcher 1829 mit wenigen
süddeutschen Staaten geschlossen ward, nun aber schon ziemlich ganz Deutsch-
land uinsaßt und eine Großmacht in der Handelswelt geworden ist.—
Unter allen diesen Herrlichkeiten entwickelten sich jedoch sehr
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Vii. §. 8. Zeugnisse aus den Trümmern Ninive's. 81
fürst in Babylon: Nabopolasfar, verbunden, und vor der vereinig-
ten Macht der beiden Fürsten sank das stolze Ninive in den Staub.
Auch bei dieser letzten Eroberung Ninive's wird wieder erzählt, was
bei jener andern Eroberung 200 Jahre früher geschehen sein soll, näm-
lich daß der letzte König sich selbst mit seinem Palast verbrannt habe.
§. 8. Zeugnisse aus den Trümmern Ninive's.
Wie wunderbar nun, daß gerade in unseren Tagen die lang ver-
schüttete Pracht des alten Ninive aus ihrem mehrtausendjährigen
Grabe wieder auferstehen muß. Etliche unscheinbare Erdhügel in der
Gegend von Mosul am Tigris, die von wißbegierigen Engländern
und Franzosen angestochen und aufgegraben wurden, erwiesen sich der
verwunderten Welt als die Ueberrefte der ungeheuren Prachtstadt.
Da entdeckten sich vor den erstaunten Augen die weitgestreckten stun-
denlangen Paläste mit ihren Marmorsälen, voll der alten Vasen, Ge-
räthschaften, Waffen, Bildwerke und werthvoller Documente. Da sah
man in den ungeheuren Schilderungen das ganze Treiben des Hofes
und des Volkes vor sich aufgerollt, Wagen und Reiter, Herren und
Sklaven, Jagden und Spiele, Belagerungen und Triumphzüge, Schlach-
ten und Siegesfeiern, Gesandtschaften, Steuerablieferungen, Huldigun-
gen von zwanzig und dreißig verschiedenen Völkerschaften, Bauarbei-
ten, Aufrichtung ungeheurer Kolosse, — und daneben fand man die
Kolosse selber, wunderliche Figuren, Löwen mit Menschengesichtern,
geflügelte Ochsen mit Menschenköpfen, Personen mit Flügeln und
Vogelköpfen, und was sonst die wilde ungeheuerliche Phantasie des
Orients sich für Mischgestalten aus verschiedenen Geschöpfen zusam-
menzusetzen pflegt. Wie die Sachen selbst, so sind auch die Darstel-
lungen zwar gewaltig, ja großartig, aber fast niemals ansprechend,
lieblich, reizend. Der Charakter dieser Bildwerke gleicht im Wesent-
lichen dem der alten Denkmäler Aegyptens, und man sieht, daß die
Cultur der alten Assyrer eben so wie die der Aegypter von der un-
gebändigten Kraft der hamitischen Stämme ihren Anfang und ihre
Entwicklung genommen hat.
Ein neuerer Gelehrter läßt sich über den Eindruck dieser Trüm-
merhaufen also vernehmen: dem Volke Gottes gegenüber, das von
Gott in die Mitte der Heiden gesetzt wür, damit es in der Welt,
nicht von der Welt sein sollte, war Assur ein Volk ungebeugten
Vertrauens auf seine rohe Gewalt, das gleichsam geboren war zum
Beherrschen und Bezwingen, das Volk der vernichtenden Selbst-
sucht, sowie Aegypten das Volk der verführenden weltlichen Lust w'ar.
Aber wie ist doch alle Pracht und Herrlichkeit Asfur's so gänzlich zu
Grunde gegangen. Kaum hat inan hier und da ein vergessenes
Geschmeide unter den Kohlen und dem Schutte wieder gefunden. Aus
v. Rohden, Leitfaden. 6
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T14: [König Reich Alexander Perser Stadt Sohn Land Cyrus Babylon Syrien], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T115: [Tempel Stadt Rom Zeit Athen Pyramide Bau Ruine Denkmal Säule], T189: [König Reich Land Volk Israel Zeit Jahr Stadt Babylon Sohn], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]